Ein überraschender Fragebogen: Will „oben“ von „unten“ lernen?

imagesAuch nach mehrmaligem Lesen des zur Zeit wohl berühmtesten Fragebogens bleibt der Eindruck einer zumindest vielschichtigen, wenn nicht mehrdeutigen Botschaft. Dass es den Fragebogen gleich von Anfang an für alle im Internet gibt, ist schonmal bemerkenswert, schienen doch Basisbefragung und vatikanische Weltkirchenleitung noch bis vor kurzem eher ein Widerspruch in sich. Auch die Bischöfe dürften überrascht worden sein – und offensichtlich nicht alle angenehm. Das Jahrhunderte alte Top-Down-Schema ist gründlich durcheinander gebracht worden – ausgerechnet von „oben“. Der Papst tut sich mit der Kirchenbasis zusammen, und die Bischöfe müssen jetzt zusehen, wo sie in diesem Spiel bleiben. Bisher war ihnen die Rolle von Briefträgern nach „unten“ zugedacht. Oder die Sandwich-Position, wie es manche unverblümter sahen.

Durcheinander geraten ist aber nicht nur die bisherige Kommunikationsordnung der Kirche, sondern auch deren Lehrbetrieb. War bisher klar, dass die einen zu lehren und die anderen zu lernen haben, so sieht es nun so aus, als würden sich die Lehrenden auf ein Lernen einlassen wollen. Ganz neu ist diese Idee nicht. Papst Johannes XXIII. schwebte so etwas für das von ihm einberufene II. Vatikanische Konzil vor: denn die Kirche könne auch von den heutigen Menschen und von der Gesellschaft lernen. Und da die Getauften mit den Gaben des Heiligen Geistes beschenkt sind, ist damit zu rechnen, dass dieser Heilige Geist auch aus den Gläubigen, ihren Glaubens- und Lebenserfahrungen spricht. Was gerade zu den Themen und Fragen rund um „Ehe und Familie“ besonders wünschenswert ist.

Auf Lernbereitschaft der Kirchenleitung könnte auch das Bemühen hinweisen, die Fragen im Katalog weithin möglichst neutral zu formulieren. Die Fragen lassen nicht schon immer gleich durchspüren, welche Antworten erwünscht sind. Irritierend für alle, die sich von der Kirche klare und unverrückbare Antworten auf alles erwarten! Sie sollen wohl auch damit beruhigt werden, dass dem Katalog der 39 Fragen eine lange Darlegung der nach wie vor geltenden Lehre vorangestellt ist.

Was die einen beruhigen soll, mag die anderen eher skeptisch stimmen. Geht es tatsächlich darum, Glaubens- und Lebenserfahrungen an der Basis einzuholen, um eigene Lehrpositionen zu überprüfen und weiterzuentwickeln? Oder wird nur nach „Schwachpunkten“ bei den Gläubigen und in der Seelsorge gesucht, die dann mit intensiverer „Vermittlung“ der bisherigen Lehre behoben werden sollen? Die Signale von Papst Franziskus gerade rund um die Themen „Ehe und Familie“ gehen bisher in verschiedene Richtungen. Noch dürfte bei den meisten die Annahme überwiegen, dass er die Glaubens- und Lebenserfahrungen der Gläubigen als Chance für die Kirche sieht und nicht als Gefahr.

An der Kirchenbasis wird man gut daran tun, den Fragebogen so sorgfältig und deutlich wie nur möglich auszufüllen. Die Pfarrgemeinderäte und die Kirchenreformbewegungen werden aufmerksame und konsequente Partner der Bischöfe sein müssen, um einen transparenten und umfassenden Transport der Antworten nach „oben“ zu garantieren. Was immer hinter dieser überraschenden Premiere stehen mag: Für das Kirchenvolk ist es eine schon sehr, sehr lange nicht da gewesene Chance, den ihm zukommenden Platz einzunehmen.

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7 Antworten zu Ein überraschender Fragebogen: Will „oben“ von „unten“ lernen?

  1. Rebella schreibt:

    I apologise for not being able to write in German.

    Under pope Francis apparently there is some interest in two way communication flow, not just one way. What will come out of it, we do not yet know. Of course there is also this aspect
    http://ncronline.org/sites/default/files/stories/images/Francis%2C%20survey.jpg but even if just a tiny bit gets through, it’s a lot more than nothing.

    Fr Schüller, in some of your talks you have used the example of the Berlin Wall. When it fell, a friend of mine searched out a quote from his old school book in history, photocopied and enlarged it and put in on the wall: „Germany was divided after WWII. Reuniting has later proved politically impossible.“ So sure, unexpected things happen – sometimes, but it seems the Catholic Church is only capable of change when it somehow manages to pretend it hasn’t really changed at all. What a process from here would look like I don’t think anyone can imagine, I somehow doubt the Church would survive a fast, berlinwallish change, in the open for everyone to see – but what do I know.

    Now we just wait, and pray.

  2. Ich bin eine ehemalige Lehrerin in Salzburg, jetzt in Großbritannien wohnen. Ich habe gerade die Umfrage der katholischen Kirche in England und Wales in der Vorbereitung für die Außerordentliche Synode über die Familie im Jahr 2014 abgeschlossen.

    Wenn einer Ihrer Leser/innen würde sie gerne lesen, kann sie in meinem Blog gefunden werden.

    Ich schreibe einen Blog-Eintrag pro Tag mit meinen Anworten. Ich hoffe, dass der Vatikan wird verstehen, warum ich nicht meine Ehe annullieren könnte als er mich wollte, und hatte sich scheiden zu lassen, um mit meinem Gewissen zu leben.

    Es tut mir leid, aber ich musste es auf Englisch schreiben.

  3. Stefan Wunram aus Bayern schreibt:

    Die Fragen sind für Nicht-Theologen teilweise sehr schwer verständlich.
    Gibt es zu den einzelnen Fragen deutschsprachige „Erläuterungen/Hintergründe/Kommentierungen“ – jenseits der mitgelieferten römischen Dokumente?
    Falls ja – wo finde ich diese?
    Danke!

  4. Silvia Brückner aus Deutschland schreibt:

    Wenn ich diese Predigt des Papstes lese, kommen mir allerdings Zweifel, was mit dem Fragebogen beabsichtigt ist:

    http://de.radiovaticana.va/news/2013/11/18/papstpredigt:_pubertierendes_fortschrittsdenken_und_der_f%C3%BCrst_dieser/ted-747648

  5. Silvia Brückner aus Deutschland schreibt:

    Ich habe den Fragebogen heute ausgefüllt. So wie die Fragen formuliert sind, wird längst nicht jeder sie verstehen. Manche Fragen kommen mir auch weltfremd vor insofern, als die Lebenswirklichkeit noch nicht so ganz in Rom angekommen scheint.

    Teilweise habe ich auch den Verdacht, man will den Menschen (wieder) Humanae vitae nahe bringen, was schon 1968 nicht geklappt hat.

    Und dann die Fragen, wie sich die Menschen hinsichtlich Beichte und Eucharistieempfang verhalten, wenn sie nicht nach Humanae vitae leben oder unverheiratet eine Partnerschaft leben.

    Ich denke, kein Mensch wird das heute noch beichten oder womöglich deshalb nicht zur Kommunion gehen.

    Solche Fragen waren vielleicht mal vor 40 Jahren aktuell, aber bestimmt nicht mehr heute.

    Ich hoffe, dass das so auch dem Papst übermittelt wird damit er sieht, dass diese Fragen die Menschen heute nicht mehr umtreiben, dass die Kirche auch keine Autorität mehr in diesen Fragen hat.

  6. Christine Neumeyer schreibt:

    Mit dem Fragebogen Schwachpunkte bei der Basis aufspüren?
    Wenn es dazu kommt, ist jede Reform im Keim erstickt. Hoffen wir also das Beste!

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